Staatsräson ausbuchstabieren – Erwartungen der DIG an die neue Bundesregierung

Zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen, die im Koalitionsvertrag festgehalten sind, erklärt Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG):

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßt, dass das neue Regierungsbündnis die besondere Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen ausdrücklich bekräftigt und konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus ankündigt. Die neue Bundesregierung muss jetzt ausbuchstabieren, was das Bekenntnis zu Israels Existenz und Sicherheit konkret bedeutet.

Das klare Bekenntnis zur deutschen Staatsräson- also zur besonderen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit und Existenz  Israels -, die geplante Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen sowie die stärkere Förderung der Antisemitismus- und jüdischen Gegenwartsforschung sind wichtige und richtige Signale des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD.
Auch die Absicht, künftig keine Organisationen und Projekte mehr zu fördern, die antisemitische Inhalte verbreiten oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Diesen Ankündigungen müssen nun konkrete und rechtssichere Schritte folgen.
Dennoch bleiben zentrale Fragen offen: Gerade im Jubiläumsjahr „60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel“ ist es enttäuschend, dass wesentliche Handlungsfelder im Koalitionsvertrag noch nicht ausbuchstabiert wurden. Wir werden als DIG die Bundesregierung aktiv dabei unterstützen, die Partnerschaft mit Israel zu konkretisieren und die richtigen Bekenntnisse im Koalitionsvertrag in die politische Praxis zu überführen.
  • Keine klare Linie bei der UNRWA: Wir fordern kein Steuergeld für antiisraelischen Terror!
    Statt eines überfälligen Zahlungsstopps enthält der Koalitionsvertrag lediglich vage Reformforderungen – ein klassischer Formelkompromiss. Das gab es bereits 2017: Anstelle von Reformen folgte damals nur noch mehr deutsches Geld für diese terrorfördernde Struktur. Deutschland muss konsequent jede Finanzierung beenden, die Terrorverherrlichung und Antisemitismus auch nur mittelbar mitträgt. Die israelfeindlichen Strukturen der UNRWA sind nicht reformierbar, die deutsche Hilfe für PalästinenserInnen muss über andere, kontrollierbare Kanäle gewährleistet werden.
  • Das Bekenntnis zu Israels Sicherheit muss sich bei den Rüstungsexporten beweisen: Die sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit mit Israel bleibt im Koalitionsvertrag zu vage. Die neue Bundesregierung muss sich hier klar positionieren: “Was Israel benötigt, um sein Recht auf Selbstverteidigung auszuüben, muss geliefert werden”
  • Das Bekenntnis zu Israels Sicherheit erfordert Konsequenz im Umgang mit internationalen Organisationen: Versuche, Israel durch einseitige Verurteilungen durch die Vereinten Nationen und ihrer Unterorganisationen zu isolieren und zu delegitimieren, muss Deutschland offensiv und konsequent entgegentreten. Die Ampel-Koalition hatte dieses Vorhaben zwar im Koalitionsvertrag festgehalten, es in der Praxis aber regelmäßig missachtet. Wir hoffen, dass es diesmal umgekehrt läuft: weniger Ankündigungen, mehr Haltung.
  • Iran-Politik bleibt halbherzig: Die Ankündigung, sich auf EU-Ebene für die Aufnahme der iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste einzusetzen, ist zu begrüßen. Was allerdings fehlt, ist ein klares Bekenntnis zur Anwendung des Snapback-Mechanismus des JCPOA zur Wiedereinsetzung der Sanktionen gegen das iranische Regime. Der Iran darf keinesfalls in den Besitz von Atomwaffen kommen – das muss ein zentrales Ziel deutscher Außenpolitik sein. Davon hängt nicht nur Israels Überleben, sondern auch unsere Sicherheit ab.
  • Rechtslücken im Strafrecht bleiben bestehen: Die geplante Verschärfung ist ein richtiger Schritt. Es braucht einen neuen Paragraphen (§ 103 StGB), der Aufrufe zur Vernichtung Israels und anderer Staaten ausdrücklich unter Strafe stellt.
  • Bundeshaushaltsordnung ändern: Der Koalitionsvertrag setzt das richtige Ziel: Projekte und Vorhaben, die antisemitische, rassistische oder andere menschenverachtende Ziele verfolgen, dürfen keine öffentliche Förderung mehr erhalten. Um das rechtssicher umzusetzen, ist eine Änderung der Bundeshaushaltsordnung unerlässlich. Die entschlossene Ablehnung von Boykottversuchen gegenüber israelischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen muss ein zentrales Anliegen der Kulturpolitik sein – auch wenn dieser Punkt im Koalitionsvertrag unerwähnt bleibt.
Die neue Bundesregierung muss ihre Verantwortung ernst nehmen: Die Freundschaft zu Israel, der Schutz jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus gehören nicht nur in den Koalitionsvertrag oder Sonntagsreden, sondern in die DNA konkreter Regierungspolitik.
Wir stehen als gesellschaftlicher Partner hierfür bereit.